God’s own County, Gottes Grafschaft, so nennen die Bewohner Yorkshires stolz ihre Heimat. Und tatsächlich mutet die Region im Nordosten Englands mancherorts paradiesisch an. Wir haben York und den Nationalpark North York Moors besucht.
Die gute alte Zeit: Im Norden Yorkshires ist Idylle noch allgegenwärtig. Auf von Hecken und endlosen Steinmauern gesäumten Weiden spielen Lämmer. Uralte Baumriesen recken ihre knorrigen Äste in parkartigen Weiten gen Himmel. Grüne Auen wechseln mit windgepeitschten Hochmooren und endlosen Heiden. Steinerne Brücken schwingen sich anmutig über mäandernde Bäche. An Steilküsten lecken die Gezeiten der Nordsee, während sich Sandstrände in geschützte Buchten schmiegen. Häfen und Dörfer mit grauen Naturstein-Bauten liegen im friedlichen Dornröschenschlaf. Nur zahlreiche Kloster- und Burgruinen zeugen von Schlachten und Glaubenskriegen der Vergangenheit. Yorkshire war stets umkämpft. Hier haben Kelten und Römer geherrscht, fielen Angelsachsen, Wikinger und Normannen ein. Hier liegen auch die Schauplätze des blutigen Streits der Adelshäuser York und Lancaster. Als so genannte Rosenkriege sind die Fehden um den englischen Königsthron in die Geschichte des 14. Jahrhunderts eingegangen. Die weiße Rose des Hauses York ziert die Flagge Yorkshires noch immer.
Dieser Artikel erschien am 23. Januar 2023 im Hamburger Abendblatt.
Pferdehaltung wird teurer. Pferdebesitzer, Betriebe und Vereine stemmen sich gemeinsam gegen die Krise
Für Emil Lessin liegt das Glück der Erde auf dem Rücken der Pferde. Genauer: Auf dem Rücken von „County“. Der Schimmel gehört dem Zehnjährigen zwar nicht, aber er hat eine Reitbeteiligung am Hannoveraner und ist so oft wie irgend möglich im Stall, um das Tier zu reiten und zu umsorgen. „Ich freue mich einfach immer, ihn zu sehen. Es fühlt sich gut an. Hier zu sein, macht meinen Kopf frei“, sagt der Junge, bevor er sich weiter dem rhythmischem Auf und Ab im Sattel hingibt. Er genießt die geschmeidigen Bewegungen des Tieres, seinen Geruch, seine Wärme, das vertraute Schnauben.
Die Begeisterung für Pferde wurde Emil in die Wiege gelegt. Als er klein war, hatten beide Eltern eigene Reittiere. Jetzt ist nur noch „Sazou“, die Stute der Mutter, in Familienbesitz. „Ein zweites Pferd könnten wir uns nicht mehr leisten“, sagt Simone Lessin. Die in Teilzeit beschäftigte Industriekauffrau und ihr Mann, Spezialist für Wassertechnik, sind Durchschnittsverdiener. Damit Frau und Sohn weiter reiten können, hat der Handwerker zusätzlich zu seiner Vollzeitstelle einen Nebenjob angenommen. Und auch die 44-Jährige verdient dazu, wann immer sich eine Gelegenheit bietet. Denn neben den Lebenshaltungskosten steigen auch die Ausgaben für ihr Hobby. Reitsport könnte wieder zum Luxus werden.
Denn auch Ross und Reiter sind von den Folgen des Ukraine-Krieges betroffen. Mit der Weizen-Knappheit wurde auch Kraftfutter teurer. Der Stopp der Düngemittellieferungen zog eine Teuerung für Heu und Stroh nach sich. Vor allem die hohen Energiepreise nach Ende der Erdgasimporte aus Russland wirken sich vielfältig aus. Teurer Diesel erhöht die Kosten für Transporte und den Betrieb landwirtschaftlicher Maschinen. Dazu kommen deutlich höhere Stromkosten für Licht in den Ställen und das Beheizen von Tränken. Die Holzknappheit trifft Reitbetriebe in Form von teureren Zaunpfählen und Einstreu.
In der Helmstorfer Reitanlage Behrens, in der „County“ und „Sazou“ sowie 52 weitere Pferde und Ponys eingestellt sind, liegt die Monatsmiete für eine Pferdebox je nach Größe und Ausstattung bei 450 bis 550 Euro inklusive Versorgung, Futter und Stroh. Im vergangenen Jahr hat die Pächterin Christina Behrens den Preis um 60 Euro erhöhen müssen. Das bedeutet eine Steigerung von etwa 20 Prozent. Christina Behrens verdient trotzdem weniger als zuvor. Allein die Anhebung der Löhne für die Beschäftigten – eine Vollzeit- und eine Teilzeitkraft, vier Aushilfen – vergrößern die Ausgaben für den Stallbetrieb deutlich.
„Alle Kostenerhöhungen kann ich gar nicht an meine Kunden weiter geben. Es geht ja auch erst einmal um den Erhalt des Betriebes. Und die Versorgung der Pferde, mit allem was sie brauchen, steht für mich an erster Stelle. Da ist mir Qualität sehr wichtig“, erklärt die 51-Jährige, die selbst seit ihrer Kindheit reitet und aktuell eine Stute nebst Fohlen besitzt.
Verantwortungsgefühl den Tieren und der Stallgemeinschaft gegenüber sowie die Liebe zu Pferden eint die Reiterhof-Chefin und ihre Einsteller. Es ist für alle Ehrensache, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und unnötige Ausgaben zu vermeiden. „Wir achten jetzt noch genauer darauf, dass weder Strom noch Stroh oder Futter verschwendet werden“, berichtet Simone Lessin. Christina Behrens hat darauf verzichtet, den Preis für ihren Reitunterricht anzuheben. „Wir haben viele ambitionierte Kinder und Jugendliche im Stall. Ihre Förderung liegt mir am Herzen.“
Kindern und Jugendlichen, Tiere und Natur näher zu bringen, ist auch Ziel des Ponyclub Ohlendorf. ganz genauso. Dennoch musste der gemeinnützige Verein, dem 28 Pferde und Ponys gehören, die Tarife für Reitstunden schon vor einem Jahr erhöhen. „Wir waren nicht gut durch den Coronawinter 21/22 gekommen. Dass es danach überhaupt weiter gehen konnte, ist nur großzügiger Spendenbereitschaft zu verdanken“, erzählt die Erste Vorsitzende Frederike Engels. Der Vereinsbeitrag ist gering. Die Finanzierung läuft vor allem über die zahlreichen Reitkurse, an denen auch Nicht-Mitglieder teilnehmen dürfen. Je nach Alter und Mitgliedschaft betragen die Gebühren für den Kursus jetzt zwischen 55 und 75 Euro monatlich. Früher konnte Unterricht noch wochenweise gebucht werden. Auch Anmeldungen für geführte Ausritte oder Ponytouren sind nicht mehr kostenfrei zu stornieren. „Wir brauchen einfach Planungssicherheit“, sagt Frederike Engels.
Die 25-Jährige verbrachte schon als Kind viel Zeit auf der Jugendfarm, weil sich ihre Mutter bereits seit Mitte der 1970er Jahre für den Ponyclub engagiert. Inzwischen ist Frederike Schiffbauingenieurin mit Fulltime-Job. Trotzdem ist sie nach Feierabend regelmäßig auf der Reitanlage zwischen Ohlendorf und Horst präsent. Ehemann und Eltern unterstützen sie nach Kräften. Auch die große Mehrzahl der 215 Mitglieder fühlt sich dem Verein zutiefst verbunden. Ohne deren Einsatzbereitschaft, ehrenamtliche Arbeit und finanzielle Unterstützung könnte der Ponyclub nicht existieren.
So liefert ein benachbarter Bauer Heu zu Vorkriegspreisen. Jedenfalls bis heute. Auch die Tierärztin stellt ihre Rechnungen für die Behandlung der Vereins-Pferde meist nicht nach der seit Oktober geltenden neuen Gebührenordnung, sondern orientiert sich am alten Satz. Noch. Der Schmied hat seinen Tarif für Hufbeschlag zwar erhöht, allerdings nur moderat. Bisher. „Wir wissen nicht, ob in diesem Jahr weitere Erhöhungen auf uns zu kommen“, sagt Frederike Engels.
Sie zieht sich im ungeheizten, feuchten Aufenthaltsraum fröstelnd das Stirnband über die Ohren. Der Gasofen wird aus Kostengründen schon lange nicht mehr genutzt, es regnet durchs undichte Dach. Aber das ist im Ponyclub zweitrangig. Wichtiger ist der Ankauf eines neuen Ponys, denn während der Pandemie hatten viele Kinder Gelegenheit, ihre Liebe zu Pferden zu entdeckten. Die Nachfrage nach Reitstunden hat eher zu- als abgenommen.
Auch Christina Behrens sieht die Zukunft optimistisch. „Wir kommen gemeinsam durch die Krise. Bloß nicht gleich die Pferde scheu machen!“ Sie kennt bisher niemanden, der sein Pferd aus Kostengründen abgegeben hätte. All ihre Boxen sind ausgebucht, die Warteliste ist lang. Ihre Erfahrung: Wer erst einmal ein Pferd besitzt oder das Reiten für sich entdeckt hat, wird alles tun, um sein Tier zu behalten. Auch Emil Lessin hat sich schon Gedanken über die Zukunft gemacht. „Ich würde arbeiten, um das Geld für meine Reitbeteiligung an ‚County‘ selbst zu verdienen.“
Dieser Artikel erschien am 22. August 2022 im Hamburger Abendblatt.
Der Buchholzer Alaris-Schmetterlingspark ist eine gut besuchte Attraktion. Doch hohe Heizkosten zwingen zum Umbau. Investoren gesucht.
Schmetterlinge in allen Farben, Formen und Größen gaukeln lautlos durch warme und feuchte Luft. Sie flattern um bunte Blütenkelche, umtanzen Farne, Gummibäume, Schlingpflanzen. Sie sitzen auf Palmwedeln und glänzenden Bananenblättern, saugen mit haarfeinen Rüsseln Saft aus Orangenscheiben. Leuchtend blaue Tiere mit Flügelspannweiten von bis zu zwölf Zentimetern segeln im Pulk durch den dichten, sattgrünen Dschungel des Alaris Schmetterlingspark. In Seppensen bei Buchholz gibt es ein Stückchen Tropenwald unter Glas, seit 33 Jahren schon.
Im Alter liegt ein Teil des Problems. Das Gebäude weist gravierende Baumängel auf. Es regnet herein. Vor allem aber fehlt es an Wärmedämmung. Der Gasverbrauch für die Heizung ist enorm. Das Tropenhaus muss während der Saison von April bis Oktober konstant auf 24 Grad geheizt werden, an Regentagen wird die Temperatur noch erhöht, damit die Schmetterlinge trotz trüben Himmels fliegen. Im Winterhalbjahr gibt es zwar keine Falter, aber für das Überleben der Urwaldpflanzen muss das Haus auf mindestens 12 Grad gehalten werden.
Der Gedanke an die nächste Gasrechnung beschert Christine Krause schlaflose Nächte. Sie ist seit April dieses Jahres Betreiberin des Parks und wünscht sich nichts sehnlicher, als diese außergewöhnliche Attraktion, die auch überregional Besucher anzieht, weiter erhalten zu können. Doch dazu müssten die Energiekosten sinken. Ihre Idee: Eine rund um das Tropenhaus errichtete Industriehalle könnte erhebliche Einsparungen bringen. Sie hat schon Angebote eingeholt. Doch für die Umsetzung des Plans fehlt ihr das Geld. „Ich suche zurzeit Investoren zur Finanzierung“, sagt Christine Krause. Erste Interessenten gäbe es bereits.
Auch Helfer, die den Park durch persönlichen Einsatz unterstützen, gibt es viele. So mäht ein Landschaftsgärtner inzwischen kostenlos das große Grundstück, die Besitzerin eines Bastelladens kommt an Wochenenden, um unbezahlt mit den jüngsten Besuchern zu basteln, der Inhaber eines Blumenladens spendiert nunmehr die Nelken auf den Futtertischen der Schmetterlinge und die Orangen und Bananen für die Früchteteller steuert ein Supermarkt gratis bei. Eine Verwandte kümmert sich um Facebook und Instagram-Auftritt. Auch aus dem Freundeskreis der Krauses kommt tatkräftige Hilfe.
Christine Krause und ihr Mann Robert, der sie unterstützt, soweit seine Position als Konrektor der Hauptschule Tostedt das zulässt, öffnen mit ihrer zugewandten und freundlichen Art die Herzen der Besucher, sensibilisieren deren Sinne. Christina Krause plaudert mit jedem Gast. „Keiner kauft hier eine Eintrittskarte, ohne dass wir miteinander gesprochen haben. Und niemand verlässt den Park ohne Aha-Erlebnis.“ Es ist ihr ein Bedürfnis, ihre Gäste an ihrer eigenen Begeisterung teilhaben zu lassen, Zuneigung für die zarten Falter zu wecken und darüber hinaus Verständnis für ökologische Zusammenhänge zu schaffen.
Im Seppenser Schmetterlingspark gibt es deshalb nicht nur viele Hinweisschilder und Informationstafeln. Es sind auch – keineswegs selbstverständlich für Schmetterlingsparks – alle Entwicklungsstadien vom Ei über Raupe und Puppe bis zum Schmetterling zu beobachten. Die Zucht ist für Christine Krause mit Mühe verbunden. Jeder Schmetterling legt etwa 200 Eier auf den Blättern der Futterpflanze der sich daraus entwickelnden Raupen ab. In der Natur würden Vögel den Großteil der Eier und Raupen fressen. Weil es im Tropenhaus keine Vögel gibt, sammelt die Chefin per Hand winzige Eier ab. Andernfalls würden sich übermäßig viele Raupen entwickeln, die Wirtspflanzen komplett kahl gefressen und eingehen.
Von Arten, die viele Monate für die Metamorphose brauchen, lässt sie sich Puppen aus Lateinamerika oder Südostasien schicken. Sie kauft bewusst nicht bei Zuchtfabriken, sondern bei Familien, die mit der Zucht ihren Lebensunterhalt bestreiten. Alle 14 Tage trifft ein Päckchen mit Schmetterlingspuppen aus den Tropen Südostasiens, Lateinamerikas oder Afrikas in Seppensen ein. Täglich aufs Neue kontrolliert Christine Krause den Zustand der ganz unterschiedlich geformten und gefärbten Insektenhüllen und hängt diejenigen, aus denen der Schmetterling noch am selben Tag schlüpfen wird, in der sogenannten Puppenstube im Tropenhaus auf. Wer vormittags kommt, hat gute Chancen die „Geburt“ eines Schmetterlings zu erleben.
„Das Schlüpfen ist für die Gäste ein Höhepunkt des Besuchs“, weiß Christine Krause. Sie selbst erfreut sich immer wieder am Wunder der Verwandlung und der Faszination der Besucher. Ganz besonders glücklich macht es sie zu beobachten, wenn bei Klassen- oder Kitaausflügen Jungen und Mädchen, die bisher wenig Kontakt zur Natur im Allgemeinen und zu Insekten im Besonderen hatten, ihre anfängliche Scheu ablegen und stolz mit Schmetterlingen auf dem Kopf oder Stabheuschrecken auf der Hand posieren. Der Schmetterlingspark ist ein außerschulischer Lernort. Für Gruppen gibt es altersgerechte informative Vorträge und anschließende Führungen durchs Tropenhaus. Christine macht es Spaß, Kinder zu unterrichten, während Robert besonders Erwachsene mit Know how und Charme bezaubert.
Und weil bei so vielen neuen Eindrücken und feuchtwarmer Luft Pausen gut tun, besteht die Möglichkeit, sich im Café mit Eis und Torte zu stärken. Vor dem Tropenhaus gibt es eine Sandfläche mit Sitzgelegenheiten und großem Hüpfkissen. Jeder Besucher bekommt beim Ticketkauf einen Stempel und darf so oft zwischen drinnen und draußen wechseln, wie er mag. So lässt sich hier leicht ein ganzer Tag verbringen. Obwohl der Schmetterlingspark sie von früh bis spät fordert, empfindet Christine Krause ihren Alltag nicht als Arbeit. Sogar abends auf dem Sofa engagiert sie sich noch für ihr Projekt, indem sie Google-Bewertungen beantwortet. Die sind fast ausschließlich sehr positiv.
Es gibt ja auch jede Menge zu sehen. Zurzeit bevölkern etwa 700 Exemplare von 30 bis 40 exotischen Schmetterlingsarten die Tropenhäuser. „Wir wechseln die Arten beständig, damit unsere Besucher immer wieder Neues entdecken können.“ Die Himmelsfalter seien die Lieblingsschmetterlinge der Gäste. „Die azurblaue Farbe stammt übrigens nicht von Pigmenten, sondern entsteht durch die Reflexion des Lichts auf den Flügelschuppen“, erklärt Christine Krause. Sie weiß fast alles über die zarten Wesen und liebt es, andere an ihrer Passion teilhaben zu lassen. Dabei ist sie keine Biologin, sondern gelernte Reiseverkehrskauffrau. „Mein Aushilfsjob hat vor zwei Jahrzehnten meine Leidenschaft für Schmetterlinge geweckt“, erzählt die 40-Jährige.
Während ihrer Ausbildung goss die junge Buchholzerin im Seppenser Schmetterlingspark die Pflanzen des Tropenhauses, genau wie ihr Freund Robert, der damals sein Studium zu finanzieren hatte. Nach und nach wurden die jungen Leute von den Park-Besitzern auch für alle anderen Aufgaben angelernt. Während dieser Zeit verliebten sich Tini und Robert nicht nur ineinander, sondern auch in den Schmetterlingspark. „Wir haben unseren Polterabend hier gefeiert und zum Junggesellschabschied zog mein Mann als Schmetterling verkleidet durch die Stadt“, beschreibt Christine Krause ihre tiefe Verbundenheit mit dem Park.
Im Herbst vergangenen Jahres hörte sie, inzwischen Mutter eines 13-jährigen Sohnes und einer zehnjährigen Tochter, dass die Besitzer des Parks sich aus Altersgründen zur Ruhe setzen würden. Und entschied, beruflich neu zu starten. Mit der Übernahme des Parks krempelte sie ihr Leben sowie das ihrer Familie um. Sie gab ihr kleines Reisebüro auf und widmet sich seither dem Wohl der Besucher und Schmetterlinge, den fünf Zwergwachteln, die im Tropenhaus für Falter gefährliche Spinnen und Ameisen vertilgen, den exotischen Pflanzen, dem Café, dem großen Anwesen, der Verwaltung und der Buchführung.
„Der Schmetterlingspark ist einfach zu schön, um geschlossen zu werden, sagt Christine Krause. Trotz der Herausforderungen durch Energiepreise, sanierungsbedürftige Bausubstanz und bürokratische Hürden, die sogar der Gründung des geplanten Fördervereins erschweren, bleiben Christine und Robert Krause zuversichtlich. „Wir kriegen das irgendwie hin. Der Schmetterlingspark muss erhalten bleiben!“
Öffnungszeiten: Bis 31. Oktober täglich von 10 – 17 Uhr.
Preise: Erwachsene 9 Euro, Jugendliche ab 13 Jahren sowie Schüler, Studenten und Menschen mit Behindertenausweis ab 80 Prozent 7 Euro. Kinder von 3 bis 12 Jahren 6 Euro, Babys und Kleinkinder bis 2 Jahre frei.
Fluss durch Hannover? Leine. Von Kreuzworträtseln dürfte der Name vielen bekannt sein, wahrgenommen wird der Fluss eher selten: Die Leine macht sich optisch rar.
Ihre Quellen sprudeln verborgen in Privatgärten des Städtchens Leinefelde. Ihre Mündung in die Aller nahe Schwarmstedt liegt inmitten von Wiesen und Feldern. Dazwischen windet sie sich in unzähligen Schlingen braun und träge dahin. Viel attraktiver als der Fluss ist die abwechslungsreiche Landschaft, die er mit seinem 281 Kilometer langen Lauf durchfließt.
Kräftige Statur, langes Haar, grauer Rauschebart, dunkle Kleidung – Stig Bareksten scheint der Fantasy-Welt von J.R. Tolkien entsprungen. Ein mystisches Wesen, urwüchsig, geheimnisvoll, erdverbunden. Der 48-Jährige pflegt sein dramatisches Image. Auf seiner Homepage sieht man ihn von Flechten und Moosen bedeckt, fast eins mit wilder Natur. Aber nicht mit Mittelerde ist Bareksten verwachsen, sondern mit Bergen und Wäldern Norwegens. Seine Passion: Die Essenz des Nordens destillieren und in die Welt exportieren. Seine Profession: Schnapsbrenner.
Über Zunge und Gaumen möchte Bareksten seine Gefühle vermitteln. Er ist überzeugt, dass Stille, Kühle, Wildnis und Dunkelheit Norwegens zu schmecken sind. Denn seine »Botanical Spirits« – dazu gehören Blaubeerlikör, Aquavit, Wodka und Gin – enthalten das intensive Aroma von Beeren, Kräutern und Blumen, die rauem Klima und langen Wintern zu trotzen vermögen.
Viel Licht und niedrige Temperaturen: Kühle Polarsommer verleihen Karotten besondere Süße. Und wenn der Boden wie im nordnorwegischen Valnesfjord fruchtbar und tiefgründig ist, reifen wahre Delikatessen heran. Weil die Konsumenten aber nur optisch perfekte Ware kaufen, landete ein Großteil der Ernte auf dem Müll – gäbe es Mathilde und Håvard Winther nicht.
Dem umweltbewussten Paar aus Bodø ging die Verschwendung von Lebensmitteln seit jeher gegen den Strich. Möhren müssten nicht zwingend lang, schlank und gerade sein; schließlich handele es sich nicht um Models, sondern um Gemüse, meinten sie. Und ließen ihrer Überzeugung Taten folgen. Erstmals 2013 nahmen sie einem 45 Kilometer östlich von Bodø angesiedelten Bauern seine verwachsenen Karotten gegen einen geringen Obolus ab, kochten daraus in der heimischen Küche Marmelade und nannten sie »Han Sylte«
Korsika – landschaftlich ein Traum und für Gespann-Lenker manchmal ein Alptraum. Denn wegen ihrer engen und kurvigen Straßen gilt die urwüchsige Mittelmeerinsel als fahrerische Herausforderung. Hobby-heute-Autorin Martina Berliner und Ehemann Ulf haben das Caravan-Abenteuer gemeinsam bewältigt und mit dem schlanken und wendigen Hobby Ontour 460 HL die Insel umrundet – eine überaus spannende Tour.
Korsika ist eine Insel für Naturliebhaber und Individualisten. Wer urbanes Leben mit Promenaden, Boutiquen, Bars oder gar Diskotheken sucht, ist hier falsch. Campingplätze direkt am Meer gibt es nur einige im Osten. Denn das Bauen an der Küste ist bis auf 100 Meter Entfernung vom Ufer untersagt, obwohl die Insel weitgehend vom Tourismus lebt. Es gibt keine Industrie und auch Landwirtschaft wird nur noch wenig betrieben. In den Bergdörfern sind viele Häuser verlassen und selbst in den Fischerörtchen stehen alte Villen leer.
Stratford upon Avon lebt von und mit William Shakespeare
Es ist neun Uhr, ein dunstiger Sommermorgen in Stratford upon Avon. Der träge dahin ziehende Fluss stürzt leise rauschend ein flaches Wehr herunter. Durch die Äste der betagten Linden rund um die Holy Trinity Church huscht ein graues Eichhörnchen. Unter den uralten Eiben, die verwitterte Grabsteine aus vergangenen Jahrhunderten beschatten, sucht eine Drossel nach Würmern. Auf dem kurz geschorenen Rasen glitzern noch Tautropfen.
Die Stimme des Predigers tönt aus dem großen Portal der hellen Sandsteinkirche. Er hält die Morgenandacht im Seitenschiff vor leerem Gestühl. Zuhören tut nicht einmal die alte Frau, die Staub wischt und Blumen in Vasen arrangiert. Taub für die Gebete sind offenbar auch der Verkäufer am Andenken-Kiosk und der Herr an der Kasse, die das unentgeltlich zu besuchende Hauptschiff des anglikanischen Gotteshauses vom Allerheiligsten trennt – dem Chorraum, in dem William Shakespeare nebst Gattin Anne bestattet ist.
Bald wird sich die Kirche mit Touristen aus aller Herren Länder füllen, die die Büste des Dichters unter den hohen Spitzbogenfenstern fotografieren wollen. Die seinen Namen suchen möchten, der in verschnörkelter Schrift im Taufregister von 1564 und im Sterberegister von 1616 zu finden ist – Kopien beider Seiten sind unter Glas ausgestellt. Auch das steinerne Taufbecken, über dessen Rand einst das Köpfchen des größten Sohnes der Stadt gehalten wurde, Kind eines Handschuhmachers, wird jährlich voller Ehrfurcht von Zigtausenden bestaunt.
Stratford, im County Warwickshire rund 110 Meilen nordwestlich von London gelegen, ist nicht denkbar ohne Shakespeare. Der Mann, über dessen genau 52 Jahre währendes Leben nur sehr wenig bekannt ist – das weitaus meiste des über ihn Verbreiteten basiert lediglich auf Spekulationen – bildet die Lebensgrundlage vieler der 23000 Einwohner der mittelenglischen Kleinstadt. Sie lebt von den Theatern, auf deren Bühnen nahezu täglich eines seiner 36 überlieferten Dramen und Komödien aufgeführt wird.
„Der widerspenstigen Zähmung“ etwa ist trotz der in heutiger Zeit mehr als fragwürdigen Aussage – Wille und Selbstbewusstsein einer starken Frau werden mit Gewalt gebrochen – so lebendig, voller Witz und Enthusiasmus inszeniert, dass Shakespeare, der selbst Schauspieler war, seine helle Freude daran hätte. Ein Besuch lohnt auch für der Sprache nicht mächtige. Jedes Wort der altenglischen Originaltexte und die vielen ironischen Anspielungen auf vor 400 Jahren aktuelle Geschehnisse versteht ohnehin kaum jemand, auch die Einheimischen nicht. Dem Spaß und der Faszination tut das keinen Abbruch. Gerade werden 112 Millionen Pfund in die Renovierung des Haupthauses der Royal Shakespeare Company und des Swan-Theaters investiert. Die Aufführungen finden bis zur Fertigstellung 2010 ersatzweise im Courtyard-Theater statt.
In Shakespeares Geburtshaus in der Henley Street steht man buchstäblich an der Wiege der Literaturgeschichte. Mindestens ebenso anrührend wie der Anblick des ersten Bettchens des Meisters der Poesie ist derjenige der alten Fensterflügel mit den völlig zerkratzen bleigefassten Scheiben, die inzwischen ihrerseits Ausstellungsstücke sind. Denn schon seit 1806 hatten begeisterte Besucher mit Nägeln und Messern Namen und Daten ins Glas graviert. Grafitti ist eben keine Erfindung der Neuzeit. An den Besucherzahlen des Geburtshauses ist die Entwicklung der Shakespeare-Manie gut abzulesen. Kamen im frühen 19. Jahrhundert jährlich rund 700 Schaulustige, steigerte sich die Zahl um 1850 auf 2500. Hundert Jahre später waren es bereits 150000, heute schieben sich pro anno eine halbe Million Menschen durch die niedrigen Räume und den blumengeschmückten Garten.
Der Schaden, den Francis Gastrell der Stadt zufügte, ist somit gar nicht zu beziffern. Der Pastor war der letzte Besitzer von „New Place“, jenes Domizils gegenüber dem historischen Hotel „Falcon“, das der Dichter 1597 erwarb und in dem er starb. Der Legende nach soll Gastrell aus Wut über frühe Shakespeare-Fans, die permanent in die Fenster seines Sommerdomizils gafften, den von Poetenhand gepflanzten Maulbeerbaum im Garten gefällt haben. Worauf der empörte Mob ihm die Scheiben einwarf und Gastrell entnervt, aus Rache und möglicherweise auch, um Steuern zu sparen, 1759 das Haus abreißen ließ. Wie auch immer: Von New Place sind nur ein paar kümmerliche Fundamentreste erhalten. Zu besichtigen ist aber der Garten und das Nebengebäude, Nash’s House, wo Shakespeares Enkelin Elizabeth lebte, unglücklich verheiratet mit Thomas Nash, einem Weiberhelden und Trunkenbold. Im Obergeschoss ist eine Dokumentation von William Shakespeares Schaffen zu sehen.
Weitaus mehr Romantik verbreitet Anne Hathaway’s Cottage. Anne, acht Jahre älter als William, wuchs in ärmlichen Verhältnissen in einer Kate im Weiler Shottery unweit Stratfords auf. Über die Qualität der Ehe des ungleichen Paares, aus der drei Kinder hervorgingen, wird viel spekuliert. Sicher ist, dass Shakespeare, der viele Jahre am Theater in London gelebt und gearbeitet hatte, die letzen Lebensjahre an der Seite seiner Frau verbrachte und schon zu Lebzeiten mit seinem Geld dazu beitrug, dass das Anwesen der Hathaways zu einer Schaftzucht-Farm beachtlicher Größe erweitert werden konnte. Die letzte Besitzerin, Mary Hathaway-Baker aus der 13. Generation der Dynastie starb 1899 in dem pittoresken, mit Weizenstroh gedeckten Häuschen.
Heute ist das Anwesen ein Museum. Gut gelaunte Führerinnen erzählen Erstaunliches. Etwa dass früher lebendige Hühner vom Dachfirst aus in die Schornsteine geworfen wurden, um mittels der panisch flatternden Vögel die Kamine vom Ruß zu säubern. Und dass die Bank vor der Feuerstelle im Wohnraum, auf der angeblich einst der kaum 18-jährige William mit der reifen Anne turtelte, deshalb so demoliert wirke, weil immer wieder Reliquienjäger daran geschnitzt hätten, um ein Stück der durch den Hosenboden des Dramatikers geheiligten Sitzfläche zu besitzen.
Diese Anekdote glaubt sofort, wer den urigen Pub schräg gegenüber vom Swan-Theater betritt, wo sich nach den Aufführungen traditionsgemäß die Künstler zu Apfelwein oder Bier treffen, wie zahlreiche handsignierte Schauspieler-Fotografien beweisen. In Englands einziger Kneipe, die gleich zwei Namen besitzt, nämlich den offiziellen „Black Swan“ – schwarzer Schwan – und den volkstümlichen „Dirty Duck“ – schmutzige Ente – hängt neben der Tür ein Bilderrahmen. Neben dem Konterfei des Stratforder Geistesgiganten ist ein winziger Holzspan zu sehen. „72. von 300 Splittern von Shakespeares Bett“ steht darüber.
Ist das jetzt feiner englischer Humor oder Stratforder Ernst?
In dieser Stadt ist jedenfalls beides möglich.
Anreise mit dem Flugzeug nach London und von dort aus mit dem Zug.
Bequemer geht es mit dem Auto per Fähre. Die Stena-Line verkehrt täglich über Nacht zwischen Hoek von Holland und Harwich.
Ein Aufenthalt in Stratford gehört auch zur 13-tägigen Wales-Rundreise, die Stena mit eigenem Auto oder Motorrad anbietet. Infos unter www.stenaLine.de
Erschienen im Mercedes-Kundenmagazin
„Fahrtwind“ des Autohauses Herbert Mühle
Seit fünf Jahren erfolgreich: Der Smart-Service im Bergedorfer Autohaus Herbert Mühle
„Wir sind hier die Smarties“, stellen sich André Wegener und Christoph Milla vor und amüsieren sich köstlich über die erstaunten Gesichter jener, die im ersten Augenblick an grellbunte Schokolinsen denken. Dabei ist der Gedanke gar nicht so falsch. Denn hier im Bergedorfer Autohaus Herbert Mühle dreht sich vieles um kleine, rundliche, oft farbenfrohe Objekte. Seit nunmehr drei Jahren gibt es einen Smart-Service im Mercedes-Haus am Lehfeld 6. Kleinstwagen-Fans aus dem Norden und Osten Hamburgs, Smartlenker aus Schwarzenbek oder sogar aus Winsen an der Luhe bringen ihre ebenso wendigen wie komfortablen City-Flitzer selbst zur Inspektion oder Reparatur zum verkehrsgünstig direkt an der Autobahnabfahrt Bergedorf gelegenen Service-Center und nehmen während des Werksattaufenthalts einen Ersatzwagen in Anspruch. Oder sie nutzen den innerhalb von rund 15 Kilometern kostenlosen Hol- und Bring-Service.
Thorsten Ried, bei Herbert Mühle Chef des Smart-Service, empfängt eine stetig steigende Zahl von Kunden. „Mercedes und Smart passen bestens zusammen. Wer einen Daimler-Benz fährt, besitzt als Zweitwagen oft einen Smart, denn beide Marken stehen für hervorragende Technik, Sicherheit und Qualität“, sagt der 41-Jährige, der einst die Kontakte zur Berliner Smart-Zentrale geknüpft und sich Spezial-Schulungen unterzogen hat. Der Kfz-Mechaniker-Meister vermittelt Neufahrzeuge der knuffigen Kult-Autos, verkauft Smart-Gebrauchtwagen und Zubehör. An defekten Fahrzeugen stellt er die erste Fehler-Diagnose und führt einfache Reparaturen gleich selbst aus. In diesem Fall zahlt der Kunde nur die benötigten Ersatzteile. Für aufwändigere Maßnahmen stehen André Wegener und Christoph Milla in der Werkstatt bereit. Täglich sechs bis sieben Smarts haben die beiden zu warten oder wieder flott zu machen. „Ein richtig deformierter Smart ist uns noch nicht unter gekommen. Die austauschbaren Crashboxen vorn und hinten fangen den größten Teil der Energie eines Aufpralls ab. Der Smart ist der sicherste Kleinwagen der Welt und bei guter Pflege erreicht er eine Laufleistung von 300000 Kilometern“, schwärmt Christoph Milla, der als Kfz-Mechaniker seit zehn Jahren auf Smart spezialisiert ist und natürlich selbst einen fährt. Ein echter Smartie eben.
Smart-Center Hamburg-Bergedorf
Lehfeld 6
Telefon 0 40/7257070
Ingeborg Beuke, 71, engagiert sich ehrenamtlich für die Bahnhofsmission
Meckelfeld/Hamburg (mab). Ein kalter Hauch zieht über die Bahnsteige, der Lärm blecherner Lautsprecherdurchsagen, quietschender Räder und klappender Türen erfüllt die dämmrige Halle und den abgerissenen Gestalten, die unter Treppen und in Winkeln vor dem winterlichen Nieselregen Schutz suchen, möchte man nicht allein im Dunkeln begegnen. Es gibt zweifellos wirtlichere Orte als den Hamburger Hauptbahnhof.
Doch Ingeborg Beuke hält sich hier lieber auf als auf dem heimischen Sofa. Seit 17 Jahren schon engagiert sich die Meckelfelderin mehrmals wöchentlich ehrenamtlich für die Bahnhofsmission. „Die Arbeit macht unglaublich viel Spaß. Man trifft so viele Menschen und nach einem positiven Gespräch ist man erfüllt. Die eigenen Probleme treten in den Hintergrund“, schwärmt die 71-Jährige und ihre blauen Augen leuchten fast so hell wie ihre Weste.
Die Uniform mit dem gezackten roten Kreuz, dem Emblem der Organisation, verschaffen der Witwe Vertrauen bei jedem Fremden. „Wenn ich Reisenden beim Umsteigen helfe, übergeben sie mir ohne zu zögern ihre Taschen oder sogar ihren Nachwuchs“, sagt die dreifache Großmutter. Gerade hat sie eine junge Frau dabei unterstützt, Kleinkind, Karre und Koffer in den Zug zu hieven. Jetzt steuert sie auf eine betagte Rollstuhlfahrerin zu. „Brauchen Sie Hilfe? Ich bringe Sie zum Fahrstuhl!“
Ihr Leben lang hat sich die gelernte medizinisch-technische Assistentin sozial engagiert. Als gläubige Katholikin sieht sie sich als praktizierende Botschafterin der Kirche. Das Schlüsselerlebnis, das sie zur Bahnhofsmission brachte, liegt lange zurück. Sie verpasste eine betagte Angehörige am Bahnsteig und fand die alte Dame am Arm einer Missionarin. Ingeborg Beuke war so dankbar, dass auch sie fortan Hilfsbedürftigen Sicherheit und Orientierung geben wollte.
„Die Arbeit erfordert körperliche und seelische Belastbarkeit“, sagt sie. Denn praktische Hilfe für Reisende ist am Hauptbahnhof weit seltener gefragt als Zuwendung für Gestrandete. Am Verkehrsknotenpunkt sammeln sich Obdachlose und Trinker, Drogensüchtige und Prostituierte, Entwurzelte und Gescheiterte. Manche vegetieren über Jahre am und im Bahnhof.
Ein junger körperbehinderter Rumäne beispielsweise. Seit er von seiner Familie verstoßen wurde, lebt er von Prostitution und dem Mitleid Gesunder. „Er stinkt entsetzlich“, erzählt Ingeborg Beuke. Schon oft hat sie ihm vorgeschlagen, sich an eine der vielen Hilfsorganisationen zu wenden, die Obdachlosen in der Hansestadt Quartier verschaffen. Doch er bevorzugt den Schlafplatz neben der Bahnhofspolizei.
Auch Rolf nächtigt lieber unter freiem Himmel, als mit Trinkern und Schlägern unter einem Dach zu leben. Seine Kindheit und Jugend waren durch Gewalt und sexuellen Missbrauch in der Familie geprägt. Um sich aufzuwärmen und Zeitung zu lesen, verbringt der 50-Jährige fast täglich eine Stunde im Aufenthaltsraum der Bahnhofsmission am Ausgang Spitalerstraße.
120 Tassen Kaffee und halb so viele Tassen Tee schenkt die von Stadtmission, Diakonie und Caritas getragene Organisation pro Tag durchschnittlich kostenlos aus. Zu essen gibt es nur in Notfällen, meist nachts. Hungrige finden tagsüber aber eine Liste der zahlreichen Institutionen, die in der Umgebung gratis Mahlzeiten ausgeben.
In der Bahnhofmission verzehrt eine Frau genüsslich selbst mitgebrachten Fisch aus der Dose. Sie ist Mitte 70 und seit zwei Jahrzehnten „auf Platte“. Jetzt hat sie Probleme mit einem geschwollenen Bein. Für Ingeborg Beuke hebt sie ihren fleckigen langen Mantel, die wallenden Röcke, krempelt die zerschlissene Hosen hoch und die dicke Wollsocken herunter. Medizinische Hilfe geben die Missionare nicht. Aber erfahren und geschult, wie sie sind, erkennen sie, wenn Sanitäter geholt werden müssen.
Ingeborg Beuke kennt die langhaarige Alte und die verworrenen Geschichten von deren traumatischen Erlebnissen seit Jahren. Das Schicksal der gebürtigen Ostpreußin lässt sie nicht kalt. Doch bei aller Offenheit gegenüber dem Leid anderer hat Ingeborg Beuke auch gelernt, sich innerlich abzugrenzen. Sie weiß, dass sie nicht mehr tun kann, als Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten.
Nicht alle, die das Büro der Bahnhofsmission aufsuchen, haben noch die Kraft, sich um ein besseres Leben zu bemühen. Aber jeder Einzelne freut sich über offene Ohren. Auch der junge Mann in der schicken Tuchjacke, der so gar nicht hier her zu passen scheint. Die Erkenntnis seiner Homosexualität war für den Heranwachsenden ein Schock. Die Intoleranz seiner Nächsten ließ schließlich sein einst behütetes Leben entgleisen. Damals hat der gebürtige Buchholzer vorübergehend auf der Straße gelebt und bei der Bahnhofsmission ein Stück Geborgenheit gefunden. „Danke fürs Zuhören und den Kaffee.“ Zum Abschied schenkt der 22-Jährige Ingeborg Beuke Schokolade.
„Was kostet das?“ scherzt ein gepflegter Herr, der sein eigenes Instant-Pulver mitgebracht hat und nur heißes Wasser möchte. Er weiß genau, dass kein Geld für Getränke verlangt wird. Schließlich hat er während seiner zehnjährigen Heroinabhängigkeit in der Bahnhofsmission viel Zeit verbracht. „Spenden sind stets willkommen“, sagt Ingeborg Beuke und zeigt auf die Sammelbüchse. Der Ex-Junkie, der sich jetzt, als Mittvierziger, mit einem Studium seinen Lebenstraum erfüllt, kramt 50 Cents aus der Tasche. „Ich kann nicht viel geben, aber ich zahle gern. Ohne engagierte Menschen wie die Bahnhofsmissionare gäbe es mich nicht mehr.“ Ingeborg Beuke lächelt. Es sind Momente wie dieser, die sie ihr Ehrenamt so lieben lässt, dass sie sich vor dem Moment fürchtet, in dem sie aus Altersgründen aufhören muss.
Info: Die Hamburger Bahnhofsmission ist am Hauptbahnhof, in Altona und in Harburg vertreten und sucht ständig Helfer. Insbesondere für den Dienst in Harburg werden noch Ehrenamtliche gesucht. Interessierte melden sich bei Axel Mangat, Telefon 0 40/39 18 44 00. Spenden an Bahnhofsmission Hamburg, EDG Kiel, Konto: 158860, Bankleitzahl 210 602 37. Infos unter www.bahnhofsmission-hamburg.de
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