Energiekrise bedroht Schmetterlings-Park in Seppensen

Dieser Artikel erschien am 22. August 2022 im Hamburger Abendblatt.

Der Buchholzer Alaris-Schmetterlingspark ist eine gut besuchte Attraktion. Doch hohe Heizkosten zwingen zum Umbau. Investoren gesucht.

Schmetterlinge in allen Farben, Formen und Größen gaukeln lautlos durch warme und feuchte  Luft. Sie flattern um bunte Blütenkelche, umtanzen Farne, Gummibäume, Schlingpflanzen. Sie sitzen auf Palmwedeln und glänzenden Bananenblättern, saugen mit haarfeinen Rüsseln Saft aus Orangenscheiben. Leuchtend blaue Tiere mit Flügelspannweiten von bis zu zwölf Zentimetern segeln im Pulk durch den dichten, sattgrünen Dschungel des Alaris Schmetterlingspark. In Seppensen bei Buchholz gibt es ein Stückchen Tropenwald unter Glas, seit 33 Jahren schon.

Christine und Robert Krause beim Servieren des Frühstücks: Täglich gibt es für die Schmetterlinge frische Orangen- und Bananenscheiben sowie Nektar auf den Nelkenblüten.

Im Alter liegt ein Teil des Problems. Das Gebäude weist gravierende Baumängel auf. Es regnet herein. Vor allem aber fehlt es an Wärmedämmung. Der Gasverbrauch für die Heizung ist enorm. Das Tropenhaus muss während der Saison von April bis Oktober konstant auf 24 Grad geheizt werden, an Regentagen wird die Temperatur noch erhöht, damit die Schmetterlinge trotz trüben Himmels fliegen. Im Winterhalbjahr gibt es zwar keine Falter, aber für das Überleben der Urwaldpflanzen muss das Haus auf mindestens 12 Grad gehalten werden.

Der Gedanke an die nächste Gasrechnung beschert Christine Krause schlaflose Nächte. Sie ist seit April dieses Jahres Betreiberin des Parks und wünscht sich nichts sehnlicher, als diese außergewöhnliche Attraktion, die auch überregional Besucher anzieht, weiter erhalten zu können. Doch dazu müssten die Energiekosten sinken. Ihre Idee: Eine rund um das Tropenhaus errichtete Industriehalle könnte erhebliche Einsparungen bringen. Sie hat schon Angebote eingeholt. Doch für die Umsetzung des Plans fehlt ihr das Geld. „Ich suche zurzeit Investoren zur Finanzierung“, sagt Christine Krause. Erste Interessenten gäbe es bereits.

Auch Helfer, die den Park durch persönlichen Einsatz unterstützen, gibt es viele. So mäht ein Landschaftsgärtner inzwischen kostenlos das große Grundstück, die Besitzerin eines Bastelladens kommt an Wochenenden, um unbezahlt mit den jüngsten Besuchern zu basteln, der Inhaber eines Blumenladens spendiert nunmehr die Nelken auf den Futtertischen der Schmetterlinge und die Orangen und Bananen für die Früchteteller steuert ein Supermarkt gratis bei. Eine Verwandte kümmert sich um Facebook und Instagram-Auftritt. Auch aus dem Freundeskreis der Krauses kommt tatkräftige Hilfe.

Christine Krause und ihr Mann Robert, der sie unterstützt, soweit seine Position als Konrektor der Hauptschule Tostedt das zulässt, öffnen mit ihrer zugewandten und freundlichen Art die Herzen der Besucher,  sensibilisieren deren Sinne. Christina Krause plaudert mit jedem Gast. „Keiner kauft hier eine Eintrittskarte, ohne dass wir miteinander gesprochen haben. Und niemand verlässt den Park ohne Aha-Erlebnis.“ Es ist ihr ein Bedürfnis,  ihre Gäste an ihrer eigenen Begeisterung teilhaben zu lassen, Zuneigung für die zarten Falter zu wecken und darüber hinaus Verständnis für ökologische Zusammenhänge zu schaffen.

Im Seppenser Schmetterlingspark gibt es deshalb nicht nur viele Hinweisschilder und Informationstafeln. Es sind auch  – keineswegs selbstverständlich für Schmetterlingsparks – alle Entwicklungsstadien vom Ei über Raupe und Puppe bis zum Schmetterling zu beobachten. Die Zucht ist für Christine Krause mit Mühe verbunden. Jeder Schmetterling legt etwa 200 Eier auf den Blättern der Futterpflanze der sich daraus entwickelnden Raupen ab. In der Natur würden Vögel den Großteil der Eier und Raupen fressen. Weil es im Tropenhaus keine Vögel gibt, sammelt die Chefin per Hand winzige Eier ab. Andernfalls würden sich übermäßig viele Raupen entwickeln, die Wirtspflanzen komplett kahl gefressen und eingehen.

Von Arten, die viele Monate für die Metamorphose brauchen, lässt sie sich Puppen aus Lateinamerika oder Südostasien schicken. Sie kauft bewusst nicht bei Zuchtfabriken, sondern bei Familien, die mit der Zucht ihren Lebensunterhalt bestreiten. Alle 14 Tage trifft ein Päckchen mit Schmetterlingspuppen aus den Tropen Südostasiens, Lateinamerikas oder Afrikas in Seppensen ein. Täglich aufs Neue kontrolliert Christine Krause den Zustand der ganz unterschiedlich geformten und gefärbten Insektenhüllen und hängt diejenigen, aus denen der Schmetterling noch am selben Tag schlüpfen wird, in der sogenannten Puppenstube im Tropenhaus auf. Wer vormittags kommt, hat gute Chancen die „Geburt“ eines Schmetterlings zu erleben.

„Das Schlüpfen ist für die Gäste ein Höhepunkt des Besuchs“, weiß Christine Krause. Sie selbst erfreut sich immer wieder am Wunder der Verwandlung und der Faszination der Besucher. Ganz besonders glücklich macht es sie zu beobachten, wenn bei Klassen- oder Kitaausflügen Jungen und Mädchen, die bisher wenig Kontakt zur Natur im Allgemeinen und zu Insekten im Besonderen hatten, ihre anfängliche Scheu ablegen und stolz mit Schmetterlingen auf dem Kopf oder Stabheuschrecken auf der Hand posieren. Der Schmetterlingspark ist ein außerschulischer Lernort. Für Gruppen gibt es altersgerechte informative Vorträge und anschließende Führungen durchs Tropenhaus. Christine macht es Spaß, Kinder zu unterrichten, während Robert besonders Erwachsene mit Know how und Charme bezaubert.

Und weil bei so vielen neuen Eindrücken und feuchtwarmer Luft Pausen gut tun, besteht die Möglichkeit, sich im Café mit Eis und Torte zu stärken. Vor dem Tropenhaus gibt es eine Sandfläche mit Sitzgelegenheiten und großem Hüpfkissen. Jeder Besucher bekommt beim Ticketkauf einen Stempel und darf so oft zwischen drinnen und draußen wechseln, wie er mag. So lässt sich hier leicht ein ganzer Tag verbringen. Obwohl der Schmetterlingspark sie von früh bis spät fordert,  empfindet Christine Krause ihren Alltag nicht als Arbeit. Sogar abends auf dem Sofa engagiert sie sich noch für ihr Projekt, indem sie Google-Bewertungen beantwortet.  Die sind fast ausschließlich sehr positiv.

Es gibt ja auch jede Menge zu sehen. Zurzeit bevölkern etwa 700 Exemplare von 30 bis 40 exotischen Schmetterlingsarten die Tropenhäuser. „Wir wechseln die Arten beständig, damit unsere Besucher immer wieder Neues entdecken können.“ Die Himmelsfalter seien die Lieblingsschmetterlinge der Gäste. „Die azurblaue Farbe stammt übrigens nicht von Pigmenten, sondern  entsteht durch die Reflexion des Lichts auf den Flügelschuppen“, erklärt Christine Krause. Sie weiß fast alles über die zarten Wesen und liebt es, andere an ihrer Passion teilhaben zu lassen. Dabei ist sie keine Biologin, sondern gelernte Reiseverkehrskauffrau. „Mein Aushilfsjob hat vor zwei Jahrzehnten meine Leidenschaft für Schmetterlinge geweckt“, erzählt die 40-Jährige.

Während ihrer Ausbildung goss die junge Buchholzerin im Seppenser Schmetterlingspark die Pflanzen des Tropenhauses, genau wie ihr Freund Robert, der damals sein Studium zu finanzieren hatte. Nach und nach wurden die jungen Leute von den Park-Besitzern auch für alle anderen Aufgaben angelernt. Während dieser Zeit verliebten sich Tini und Robert nicht nur ineinander, sondern auch in den Schmetterlingspark. „Wir haben unseren Polterabend hier gefeiert und zum Junggesellschabschied zog mein Mann als Schmetterling verkleidet durch die Stadt“, beschreibt Christine Krause ihre tiefe Verbundenheit mit dem Park.

Im Herbst vergangenen Jahres hörte sie, inzwischen Mutter eines 13-jährigen Sohnes und einer zehnjährigen Tochter, dass die Besitzer des Parks sich aus Altersgründen zur Ruhe setzen würden. Und entschied, beruflich neu zu starten. Mit der Übernahme des Parks krempelte sie ihr Leben sowie das ihrer Familie um. Sie gab ihr kleines Reisebüro auf und widmet sich seither dem Wohl der Besucher und Schmetterlinge, den fünf Zwergwachteln, die im Tropenhaus für Falter gefährliche Spinnen und Ameisen vertilgen, den exotischen Pflanzen, dem Café, dem großen Anwesen, der Verwaltung und der Buchführung.

„Der Schmetterlingspark ist einfach zu schön, um geschlossen zu werden, sagt Christine Krause. Trotz der Herausforderungen durch Energiepreise, sanierungsbedürftige Bausubstanz und bürokratische Hürden, die sogar der Gründung des geplanten Fördervereins erschweren, bleiben Christine und Robert Krause zuversichtlich. „Wir kriegen das irgendwie hin. Der Schmetterlingspark muss erhalten bleiben!“

ALARIS Schmetterlingspark, Buchholz-Seppensen, Zum Mühlenteich 2
Telefon: 04181 – 36481 www.alaris-schmetterlingspark.de

Öffnungszeiten: Bis 31. Oktober täglich von 10 – 17 Uhr.

Preise: Erwachsene 9 Euro, Jugendliche ab 13 Jahren sowie Schüler, Studenten und Menschen mit Behindertenausweis ab 80 Prozent 7 Euro.  Kinder von 3 bis 12 Jahren 6 Euro, Babys und Kleinkinder bis 2 Jahre frei.